Kritik am Grünen Punkt: Was soll der Verbraucher davon halten?

Seit Jahren sind es die dualen Systeme selbst, die für negative Schlagzeilen sorgen: In aller Öffentlichkeit beschuldigen sie sich gegenseitig zu tricksen und zu betrügen.

Schon mehrfach wollten einzelne Systembetreiber „den Stecker ziehen“. Offensichtlich schaffen sie es nicht, sich ohne den Gesetzgeber und Gerichte auf faire Regeln bei der Lizenzierung und der Verteilung der Entsorgungskosten zu verständigen. Eine Steilvorlage für die Kritiker: Jetzt wollen die Kommunen via BILD „den Grünen Punkt in die Tonne treten“. Was soll von alldem der Verbraucher halten, auf dessen Mitwirkung Kommunen und die Wirtschaft auch in Zukunft angewiesen sind?

Im Kern geht es bei der Diskussion über die Einführung der Wertstofftonne immer um die gleichen Fragen: Wem gehört die Tonne, wer hat Zugriff auf die Wertstoffe und wie kann sichergestellt werden, dass Missbrauch verhindert wird und sich alle an der Finanzierung der haushaltsnahen Erfassung beteiligen? Aber statt auch in Zeiten des Sommerlochs und des Wahlkampfs im Stillen an einem Interessenausgleich zu arbeiten, flammen die als überwunden geglaubten ideologischen Grabenkämpfe erneut auf. Dabei schießt der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) derzeit deutlich über das Ziel hinaus. Selbstverständlich: Die überspitzt formulierte Headline der Bildzeitung und anderer Medien hat der VKU-Geschäftsführer Hans-Joachim Reck nicht zu verantworten. Aber die Botschaften, die er und einige Abfalldezernenten seit Wochen unters Volk bringen, zielen eindeutig auf den Bauch und weniger auf den Kopf der Verbraucher. 

Kostet viel und bringt nichts

Dabei wird der Eindruck erweckt, als sei das Verpackungsrecycling ein Millionengeschäft, dass sich die Privaten untereinander aufteilen, während Verbraucher und Kommunen die Arbeit damit haben. Das führt dann zu solchen Kommentaren im Netz: „Abschaffen den Quatsch! Kostet viel und bringt nichts. Wird sowieso alles verbrannt und dafür hast du vorher getrennt!!“ Oder: „Die Unternehmen machen mit dem Müll genug Profit. In einer Zeitung habe ich gelesen, dass eine Tonne Müll heute mehr wert ist als eine Tonne Reis“. „Der Grüne Punkt ist reine Abzocke. Die verdienen sich dumm und dusselig und der Verbraucher zahlt’s“. Mit der Realität hat das wenig zu tun. Das weiß auch der VKU. Die Sekundärrohstofferlöse der Gelben Tonne decken die Erfassungs- und Sortierkosten bei weitem nicht. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn noch ein paar Pfannen und Plastikeimer dazu kommen. Auch die Gesamtkosten des Systems und die Margen der Systembetreiber sind in diesem hart umkämpften Markt in den letzen Jahren deutlich gesunken.

Kommunale Lobbyisten tun so, als gäbe es keinen Mengenstromnachweis

Noch verheerender als der versteckte Vorwurf, sich an der Sammelbereitschaft der Bürger zu bereichern, ist die Behauptung, die Verpackungsentsorgung sei intransparent und ökologisch ineffizient. Der VKU trifft damit nicht nur die dualen Systeme, sondern all diejenigen in Politik und Wirtschaft, die sich in den letzten 20 Jahren um eine möglichst hochwertige stoffliche Verwertung bemüht haben. Die kommunalen Lobbyisten können doch nicht so tun, als gäbe es keine Mengenstromnachweise und keine Behörden, die sie kontrollieren. Der Verbleib einer Milchtüte muss heute akribischer nachgewiesen werden, als so manch andere Fraktion, die in der Verantwortung der Kommunen entsorgt wird. Die Recyclingerfolge des gegenwärtigen Systems und die positiven Beiträge der Kreislaufwirtschaft zum Ressourcenschutz und zur CO2 Minimierung sind unbestreitbar. So kommt das Öko-Institut in einer Studie für das BMU zu dem Ergebnis, dass je Tonne Leichtverpackungen etwa 525 kg CO2 eingespart werden. Das ist mehr als viermal so viel, wie der entsprechende Beitrag der Müllverbrennung duch die Bereitsstellung von Strom und Wärme sowie die Rückgewinnung der Metalle aus der Asche.Dies heißt nicht, dass wir uns auf den Erfolgen ausruhen sollen. Im Gegenteil: Das BMU hat bereits 2011 als Ergebnis des sogenannten Planspiels festgehalten, dass alle Beteiligten – auch der VKU – eine „einheitliche Wertstofferfassung“ wollen, „die hohen ökologischen Ansprüchen genügt“. Entsprechende konkrete Vorschläge wurden im Rahmen eines UBA-Forschungsvorhabens erarbeitet. Dabei geht es z.B. um höhere Anforderungen an die Erfassung und Sortierung und „selbstlernende Quoten“, die regelmäßig dem Stand des technischen Fortschritts angepasst werden. Mit der Forderung nach Abschaffung der dualen Systeme bringt man das Recycling keinen Schritt voran.

Der Kampf um die letzte Bratpfanne erhitzt nicht überall die Gemüter

Der VKU muss sich auch nicht wundern, wenn viele in der Wirtschaft den Generalverdacht äußern, dass es den Kommunen mit der Kampagne gegen die dualen Systeme weniger um Ressourcenschutz als vielmehr um die Auslastung ihrer überdimensionierten Müllöfen geht. Deutlicher als im Beitrag von Prof. Dr. Thome-Kozmiensky im Schwarzbuch des VKU kann man es nicht sagen. Darin heißt es: “Das Duale System ist in jeder Form – insbesondere für Leichtverpackungen – außerordentlich teuer. Die Kommunen verfügen sowohl über das Wissen als auch über Anlagen, um diese Verpackungsabfälle verantwortungsbewußt, das heißt nach ökologischen und ökonomischen Kriterien, zu verwerten. Das bedeutet nach heutigen Erkenntnissen, dass Leichtverpackungen am besten in Anlagen zur energetischen Verwertung verwertet werden sollten.“ Ende des Zitats. Zu vermuten ist, dass wohl die Mehrzahl der Kommunen diese Auffassung nicht teilen. So hat Hamburg gerade angekündigt, die auslaufenden Verträge mit Müllverbrennungsanlagen nicht zu verlängern und das eingesparte Geld für den weiteren Ausbau der Wertstoffwirtschaft einsetzen zu wollen. Hamburg ist auch ein gutes Beispiel, dass eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Privaten bei der Einführung der Wertstofftonne möglich ist. In rund 40 weiteren Kommunen und Landkreisen laufen derzeit Pilotversuche. Dazu kommt: Der Kampf um die letzte Bratpfanne erhitzt keineswegs überall die Gemüter: In vielen Kommunen wird auch der Rest- oder Sperrmüll generell ausgeschrieben und an private Unternehmen vergeben. Eine kommunale Infrastruktur, um diese Aufgaben zu übernehmen, gibt es nicht. Dabei darf das Ziel einer in Deutschland einheitlichen Wertstofferfassung auf Grundlage eines Werstoffgesetzes nicht aus den Augen verloren werden. Es kann nicht funktionieren, wenn in jeder Kommune unterschiedlich gesammelt wird. Für die weitere Diskussion nach der Bundestagswahl ist deshalb entscheidend, dass der Ressourcenschutz im Mittelpunkt der Überlegungen steht und der Blick nicht auf die Interessen privater Entsorger und der Kommunen verengt wird. Geht der öffentliche Schlagabtausch in unverminderter Schärfe weiter, ist zu erwarten, dass die frustrierten Kommentare in den sozialen Netzwerken nicht ohne Konsequenzen auf die Sammelmengen bleiben werden.