Trennmedium ist Wasser – keine Lösemittel
Seit Ende April ist die Palurec-Recycling-Anlage offiziell in Betrieb. Höchste Zeit für ein Interview mit Geschäftsführer Andreas Henn über die dort gewonnenen Rezyklate und die positiven Auswirkungen seiner Anlage auf Recyclingfähigkeit sowie Ökobilanz des Getränkekartons.
Herr Henn, der Kunststoff-Alu-Anteil von Getränkekartons wurde lange Zeit in China verwertet. Gab es hierzulande keine Recycler, die sich damit beschäftigen wollten?
Doch, außer einigen Pilotanlagen gab es zwei großtechnische Anlagen, die das Material stofflich verwertet haben. Die Zeit war aber offensichtlich noch nicht reif: Nach einiger Zeit sind die Unternehmen wieder ausgestiegen. Dabei spielten technische, aber vor allem wirtschaftliche Gründe eine Rolle. Die Rezyklatmärkte sind sehr volatil, das Risiko entsprechend hoch. Dazu kommt: Das Material ist nicht homogen. Außer den Folien und Verschlüssen der Getränkekartons sind darin auch Fremdstoffe enthalten, die bei der automatischen Sortierung der gelben Tonnen nicht vollständig abgetrennt werden konnten. Das stellt die Technik vor besondere Herausforderungen.
Was macht Sie zuversichtlich, dass die Palurec eine wirtschaftlich und technisch tragfähige Lösung gefunden hat?
Die Kunststoffdiskussion hat die Rezyklat- Märkte in Bewegung gebracht. Die Nachfrage wächst. Das sieht man derzeit auch an den Preisen. Bei der Technik setzen wir auf ein innovatives Anlagenkonzept mit praxiserprobten Komponenten. Wir verzichten auf hoch anspruchsvolle Prozesse und arbeiten ausschließlich mechanisch/ physikalisch. Trennmedium ist Wasser – keine Lösemittel oder ähnliches.
Dann wird der Wasser- und Energieverbrauch entsprechend hoch sein. Ist das Recycling ökologisch sinnvoll?
Das Wasser wird gereinigt und im Kreislauf geführt. Auf eine hohe Energieeffizienz wurde schon aus Kostengründen geachtet. Wenn die Anlage einige Monate im Regelbetrieb läuft, werden wir reale Prozessdaten erheben, um sie in zukünftige ökobilanzielle Berechnungen einfließen zu lassen. Selbstverständlich verursacht jeder Produktions- und Recyclingprozess Umweltlasten. Entscheidend ist, wie groß der ökologische Rucksack des Rezyklats im Vergleich zur substituierten Neuware ist. Die Antwort kann man auch ohne umfangreiche Ökobilanz geben: Der Einsatz von Palurec-Rezyklaten ist auf jeden Fall ökologisch sinnvoller als Primärkunststoffe zu verwenden.
Erwarten Sie von der stofflichen Verwertung eine bessere Ökobilanz des Getränkekartons?
Die erwarteten Gutschriften aus der Verwertung der Kunststoff-Aluminium- Anteile werden die ohnehin sehr gute Ökobilanz nicht entscheidend verbessern. Aus den bisherigen Studien wissen wir, dass der Einfluss des Recyclings auf die gesamtökologische Bewertung des Getränkekartons eher gering ist.
Können die erzeugten Rezyklate wieder in Getränkekartons eingesetzt werden?
Nein. Die Qualität des zurückgewonnenen Aluminiums und des LDPE reicht nicht, um daraus dünne Folien für Getränkekartons herzustellen. Nach weiteren Aufbereitungsschritten ist ein Wiedereinsatz des HDPE in Deckeln und Verschlüssen grundsätzlich möglich. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat bislang allerdings noch kein mechanisches Recyclingverfahren positiv bewertet und zur Anwendungen mit Lebensmittelkontakt zugelassen.
Sie sprechen von einer Recyclingfähigkeit von deutlich über 90 Prozent. Wie kommen Sie zu dieser Aussage?
Nach dem Recyclingstandard der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) erreichen Getränkekartons je nach Verpackungstyp bislang eine Recyclingfähigkeit von ca. 70-80% – abhängig davon, wie hoch der jeweilige Kartonanteil ist. Mit der Verwertung der Kunststoff- und Aluminiumanteile kommen wir bei allen Verpackungstypen auf deutlich über 90%. Die Zertifizierung der Palurec-Anlage läuft derzeit.
Werden in der Anlage auch andere Kunststoff-Aluminiumverbunde recycelt?
Nein. Der Input kommt ausschließlich von Papierfabriken, die Getränkekartons aus der Gelben Tonne verarbeiten.
Der Anteil von Verpackungen, deren Beschichtungen und Verschlüsse aus Biopolymeren bestehen, wächst. Behindert das den Recyclingprozess?
Grünes PE und HDPE haben chemisch die gleiche Struktur und lassen sich bei Herstellung und Recycling genauso verarbeiten wie die fossilen Varianten.