Vieles erreicht – nur nicht das Ziel

Als am 2. Januar 2003 die ersten Kunden ihre Flaschen und Dosen in die Supermärkte brachten, gab es das Pfand nur gegen Vorlage von Quittungen. Es sollte noch Jahre dauern, bis das Pfandsystem seine Kinderkrankheiten überwunden hatte.

Die politische Debatte wurde mit aller Härte geführt. Bundestag und Bundesrat bremsten sich mehrfach gegenseitig aus und letztendlich landete das Dosenpfand vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof. Hat sich der Aufwand gelohnt?

Gut, nur noch wenige zerknüllte Blechdosen verschandeln die Innenstädte. Zwar hält auch der vergleichsweise hohe Pfandbetrag von 25 Cent viele Zeitgenossen nicht davon ab, ihre Verpackungen in der Landschaft zu entsorgen, aber der Betrag ist immerhin hoch genug, dass sich dafür noch jemand bückt. Auch für das Recycling und den Ressourcenschutz hat das Pfand etwas gebracht: Plastikflaschen werden sortenreiner erfasst und mit höheren Quoten recycelt. Weniger als ein Zehntel davon geht wieder in die Produktion neuer Flaschen. Der größte Teil wird zu Textilfasern verarbeitet, woraus in Asien z.B. Fleecepullover hergestellt werden. Und tatsächlich war auch die beim damaligen Umweltminister Trittin und seinem bayerischen Kollegen Schnappauf so unbeliebte Bierdose lange Zeit aus den Regalen verschwunden.

Es ging aber nicht nur um‘s Dosenbier und die Interessen der bayerischen Bierbrauer. Das eigentliche Ziel war, den Anteil von Mehrwegflaschen und ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen (MövE) wieder auf 80% des Getränkekonsums zu bringen. So steht es in der Verpackungsverordnung. Dieses klar formulierte Ziel wurde grandios verfehlt. Im ersten Jahr nach der Pfandeinführung sah es noch ganz gut aus: Der MövE-Anteil stieg leicht auf 71 %. Das lag aber vor allem an dem anfangs wenig verbraucherfreundlichen Rücknahmesystem. Die Verpackungen konnten zunächst nur da zurückgegeben werden, wo sie gekauft worden waren.

Seit 2005 geht MövE-Quote zurück

Seit 2005 geht es rapide abwärts. Nach den neuesten Zahlen des BMU lag die MövE-Quote im Jahr 2010 bei 50,1 Prozent – 30% unter dem angestrebten Ziel! Wenn der hohe Glas-Mehrweg-Anteil bei Bier nicht wäre, würde die Quote noch wesentlich schlechter aussehen. Hinzu kommt, dass unbepfandete Getränke wie Fruchtsäfte von der amtlichen Statistik nicht erfasst werden. Hier verlor alleine der ökologisch vorteilhafte Getränkekarton in den letzten fünf Jahren mehr als 30 Prozent (!) an die Plastikflasche.

Das alles war absehbar. An warnenden Stimmen hat es jedenfalls nicht gefehlt. Uneinig waren sich Branchenexperten lediglich darin, wie schnell und in welchem Umfang Einweg zulegen wird. Die Argumente von damals sind auch heute noch gültig: Die Handling- und Logistik-Kosten von Dosen und PET-Flaschen sind deutlich niedriger als bei Mehrwegflaschen. Wenn schon in ein Rücknahmesystem investiert werden muss – so hieß es damals -, werden die meisten Händler nicht zwei Systeme nebeneinander betreiben, sondern sich für eines entscheiden. So kam es dann auch. Außerdem stellte sich schnell heraus, dass sich die Rücknahme über Automaten trotz hoher Anfangsinvestitionen rechnet: Durch nicht eingelöste Pfandgelder, hohe Sekundärrohstofferlöse und eingesparte Lizenzentgelte für den Grünen Punkt kommt einiges zusammen. Bei einem Preis von unter 20 Cent für 1,5 Liter Mineralwasser in der PET-Einwegflasche beim Diskounter braucht man keine Marktstudien, um zu erkennen, warum Mehrweg verliert und heute etwa die Hälfte aller Getränke bei Aldi, Lidl und Co. verkauft werden.

Andere Lenkungsinstrumente gefordert

Noch im Herbst 2004 – eineinhalb Jahre nach Einführung des Pfands – versuchten das SPD-regierte Rheinland-Pfalz und das CDU-regierte Hessen das Pfand wieder abzuschaffen und durch eine Einweg-Abgabe zu ersetzen. Bekanntlich ohne Erfolg. Auch in den darauf folgenden Jahren hat es nicht an politischen Initiativen gefehlt. Auf der 70. Umweltministerkonferenz im Jahr 2008 wurde die Bundesregierung aufgefordert, „möglichst schnell“ einen Maßnahmenkatalog vorzulegen, um den Trend zu ökologisch nachteiligen Einweg-Getränkeverpackungen zu stoppen. Dabei sollten auch andere Instrumente als das Pflichtpfand in die Überlegungen einbezogen werden – „zum Beispiel eine Lenkungsabgabe“. Passiert ist wenig. Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2010 rät von Lenkungsabgaben wegen mangelnder politischer Durchsetzbarkeit ab.

Ausweitung der Pfandpflicht kontraproduktiv

Stattdessen wurde neben einer besseren Kennzeichnung und Aufklärungskampagnen auch eine Ausweitung der Pfandpflicht auf alle Getränkebereiche empfohlen. Ein verwegener Vorschlag, wenn man bedenkt, dass das Pfand schon bei Mineralwasser und Erfrischungsgetränken nicht die erhoffte Wirkung gebracht hat. Warum dann ausgerechnet bei Fruchtsäften, Wein und anderen Getränken? Vor allem: Die Studie selbst liefert genügend Hinweise, warum eine Ausweitung des Pfands der Plastikflasche weitere Kostenvorteile verschaffen würde, die dann zur Verdrängung von Mehrwegflaschen und Getränkekartons genutzt werden können. Dem Verbraucher helfen zu wollen, weil ihn die vielen Ausnahmeregeln irritieren, kann jedenfalls kein Argument für eine Ausweitung der Pfandpflicht sein: Nach 10 Jahren dürfte sich fast jeder daran gewöhnt haben, dass der Automat bei Saft-, Wein- und Schnapsflaschen keine 25 Cent ausspuckt.

Pfand grundsätzlich etwas ökologisch Gutes

Das Pfandsystem abschaffen will heute niemand mehr. Selbst die schärfsten Kritiker haben sich damit arrangiert. Das Zurückbringen von Plastikflaschen und das Trennen von Müll sehen viele Deutsche als ihren Beitrag zum Umweltschutz an. Dabei wird das Pfand grundsätzlich als etwas ökologisch Gutes angesehen. Die Grenzen zwischen ökologisch vorteilhaften und nachteiligen Verpackungen verwischen. Die geplante Einweg-Mehrweg-Kennzeichnung soll Irritationen beim Verbraucher vermeiden. Ob dies allerdings zu einer Trendwende führen wird, darf bezweifelt werden.

Standpunkt


Kennzeichnung wird auch nicht helfen
Mehr als die Hälfte aller Verbraucher haben Schwierigkeiten, Einweg- von Mehrwegflaschen zu unterscheiden. Insofern hat Bundesumweltminister Altmaier ein starkes Argument für seinen neuen Vorstoß in Sachen Kennzeichnung. Allerdings: So wie den meisten Verbrauchern spätestens am Schredder-Geräusch des Rücknahmeautomaten auffallen dürfte, dass es eine Einwegflasche war, so dürfte es auch nicht lange dauern, bis offenbar wird, dass mit einer Kennzeichnung der Boom der Plastikflaschen nicht zu stoppen ist. In Zukunft könnten sogar neue Irritationen entstehen, wenn bepfandetes und unbepfandestes Einweg einträchtig nebeneinander stehen. Eine deutlichere Hervorhebung des DPG-Logos könnte hier Abhilfe schaffen. Auch eine Informationskampagne könnte dazu beitragen, dass der Verbraucher die Pfandregeln besser versteht und „EINWEG“ in Zukunft nicht generell mit ökologisch nachteilig gleichsetzt.
Michael Brandl, Geschäftsführer des FKN

Chronik des Dosenpfands

Januar 2003

Nachdem die Mehrwegquoten bei Bier, Mineralwasser und Erfrischungsgetränken mit CO2 unterschritten wurden, tritt die Pfandpflicht in Kraft. Während einer neunmonatigen Übergangsfrist musste der Handel nur die Verpackungen zurücknehmen, die er selbst verkauft hatte.

Juli 2003

Mit den Stimmen der rot-grünen Koalition beschließt der Bundestag die Novellierung der Verpackungsverordnung: Pfand soll künftig nicht von der Entwicklung getränkespezifischer Mehrwegquoten abhängen, sondern grundsätzlich für „ökologisch nachteilige“ Einweggetränkeverpackungen gelten. Erst nach langwierigen Debatten, bei denen auch Abgabenlösungen anstelle des Pfands diskutiert wurden, stimmt der Bundesrat im Oktober 2004 zu.

Oktober 2003

Der Handel muss alle pfandpflichtigen Einwegverpackungen zurücknehmen. Getränkedosen werden daraufhin fast vollständig ausgelistet. Gewinner sind individuell gestaltete PET-Einwegflaschen, denn nach der noch geltenden Verpackungsverordnung waren so genannte „Insellösungen“ (Rücknahmepflicht nur für Verpackungen gleicher Art, Form und Größe) zulässig. Daneben etablieren sich zwei weitere Rücknahmesysteme.

Oktober 2004

Der Bundesrat stimmt dem „Pfandvereinfachungsmodell“ Bayerns zu. Das Pfand gilt künftig auch für Alkopops und CO2-freie Erfrischungsgetränke. Ausgenommen sind ökologisch vorteilhafte Verpackungen wie der Getränkekarton sowie Fruchtsäfte, Fruchtnektare, Gemüsesäfte, diätetische Getränke, Milch, Wein und Spirituosen.