Fehlerhafte Annahmen und fragwürdige Schätzungen
Das Einwegkunststofffonds-Gesetz (EWKFondsG) zwingt die Hersteller von Einwegkunststoffverpackungen dazu, für die Reinigungskosten achtlos weggeworfener Verpackungen aufzukommen. Basis dieses Gesetzes ist die Herstellerverantwortung aus der EU-Einwegkunststoff-Direktive (Artikel 8). Das vom Umweltbundesamt (UBA) erstellte Kostenmodell rechnet mit gut 434 Mio. Euro an Einnahmen – und ruft heftige Reaktionen hervor.
Schon die Verwaltungsstruktur stößt auf scharfe Kritik. So machten die Stifterverbände (BdS, BVE, BVTE, HDE, IK, IPV und Markenverband) deutlich, dass das Gesetz der o.g. EU-Direktive widerspreche. Dort werde gefordert, dass sich die Hersteller von Einwegkunststoff-Verpackungen direkt mit den örtlichen Entsorgern auf ein Kostenmodell einigen sollten. Ein solches privatwirtschaftliches Modell hatten die Stifterverbände dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens vorgeschlagen.
Den Fonds hätte hier die Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) verwaltet und die Zahlungen der Hersteller an die kommunalen Entsorger weitergeleitet. Vorteil: Die ZSVR verfügt über Daten aller Verpackungshersteller und müsste nicht extra einen vollkommen neuen Verwaltungsapparat mit mehr als 30 Stellen aufbauen.
Kostenmodell auf wackligen Beinen
Ärger ruft auch das vom UBA entwickelte Kostenmodell zur Berechnung des Beitragssatzes für die Hersteller hervor. Der Beitragssatz wird auf Basis der in Verkehr gebrachten Verpackungen der Hersteller und mit Hilfe von Daten einer bis heute nicht vollständig veröffentlichten Studie des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU) berechnet. Interessant daran: Der VKU vertritt die Interessen derer, die das im Einwegkunststofffonds eingesammelte Geld empfangen.
Ergänzt wurde diese Studie durch Sortieranalysen von Littering an ausgesuchten Orten. Ein Kritikpunkt hierbei: der Zeitpunkt der erhobenen Daten. Stammt die Studie des VKU aus Vor-Corona-Zeiten (2019), so wurden die Sortieranalysen 2022 durchgeführt. Wie darauf eine wissenschaftlich hieb- und stichfeste Berechnungsgrundlage entstehen kann, erscheint zumindest fragwürdig.
Doppelt bezahlen für eine Leistung
Die Verpackungshersteller bemängeln zudem, dass sie für ein und dieselbe Leistung nun doppelt an die Kommunen zahlen müssen. Schließlich zahlen sie für die Beseitigung gelitterter Verpackungsabfälle bereits über die „Nebenentgelte“ der Lizenzgebühren der Dualen Systeme. Neben den Herstellern sind auch die Verbraucher Verlierer des Einwegkunststofffonds-Gesetzes. Diese hätte die Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU) gerne entlastet.
So hatte sie die Regierung aufgefordert, im Gesetz einen Passus einzubauen, der die Gemeinden dank der zusätzlichen Einnahmen aus dem Fonds dazu aufgefordert hätte, die kommunalen Abfallgebühren zu senken. Vergeblich – stattdessen verteuert die Sonderabgabe die Produktion und trägt zur Inflation bei.
Rechenfehler und falsche Schätzungen
Die Zigarettenindustrie, mit 161 Millionen Euro der größte Einzahler in den zukünftigen Fonds, kritisiert die Berechnungsmethode des Beitragssatzes im Kostenmodell. Alleine das Gewicht des Litters sei ausschlaggebend – Volumina und Stückzahlen seien irrelevant. Das hätte die eigene Abgabenhöhe um 77 Prozent reduziert und auch allen anderen Verpackungsherstellern Geld gespart.
Auch die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) sieht die Berechnung der Beitragssätze kritisch. Die Hersteller der betroffenen Produkte zahlten insgesamt 17 Prozent der gesamten Littering-Reinigungskosten – dabei machten diese Produkte nur 5,6 Prozent der gelitterten Gegenstände aus. Der Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel e. V. (FKN) bemängelte, gestützt auf Daten der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM), diverse Schätzungsfehler im vorliegenden Kostenmodell.
Ein paar Peanuts für die Branche
Die Proteste der Branchenvertreter führten nur zu kleineren Erfolgen. So soll die beim UBA angesiedelte beratende Einwegkunststoffkommission im verabschiedeten Gesetzesentwurf jetzt paritätisch mit sechs Vertretern der Wirtschaft und sechs aus dem NGO- und Entsorger-Bereich besetzt werden.
Auch eine Forderung der CDU wurde erfüllt: Nach dem verabschiedeten Gesetz muss der Bundestag an der noch folgenden Abgabenverordnung beteiligt sein. Das war vorher nicht so vorgesehen im Gesetzesentwurf. Zusätzlich wurde die Evaluation der Maßnahmen immerhin um ein Jahr vorverschoben und findet nun bereits im Jahr 2027 statt.
Nächster Halt Bundesverfassungsgericht?
Die Verpackungsbranche war währenddessen nicht untätig. Mittlerweile liegen ihr drei Rechtsgutachten verschiedener Fachkanzleien vor. Deren Tenor: Eine Klage gegen das Einwegkunststofffonds-Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht hätte aus unterschiedlichen Gründen gute Erfolgschancen. Positiver Nebeneffekt einer solchen Klage: In der Zwischenzeit könnten neue, wirklich belastbare und für alle Beteiligten einsehbare Zahlen zum Littering in Deutschland erhoben werden.
Das hatten, neben dem FKN, mehrere andere Verbände im Begleitkreis zur Entwicklung des Kostenmodells mehrfach gefordert. Leider vergeblich. Eine neue Studie sei zu zeit- und kostenaufwendig, so lautete das Gegenargument des BMUV. Dabei sollte doch gerade bei Gesetzesvorhaben und Verordnungen gelten, dass die Grundlage jeden Handelns eine solide Datenbasis ist. Mangelt es an dieser, was nach Ansicht der Verbände beim Einwegkunststofffonds-Gesetz und dem Kostenmodell zur Abgabenverordnung der Fall ist, sind juristische Schritte der Betroffenen nur eine logische Folge.