Auf höhere Recyclingquoten gut vorbereitet
Die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für den Klima- und Ressourcenschutz hat in Politik und Unternehmen inzwischen einen hohen Stellenwert erreicht. In der EU werden immer mehr Getränkekartons verwertet. Das meiste davon in Deutschland. Die Hersteller von Getränkekartons unterstützen anspruchsvolle Recyclingquoten.
Die Erfahrungen zeigen: In Ländern, in denen viel deponiert werden darf, wird wenig recycelt. Wo es keine gesetzlichen Vorgaben zur getrennten Erfassung aller Verpackungen gibt, sind hohe Recyclingquoten die Ausnahme. Dort reicht es häufig schon, sich auf wenige besonders werthaltige Materialien zu konzentrieren, um die wenig anspruchsvollen Ziele zu erreichen. Diese „Rosinenpickerei“ blockiert Investitionen in innovative Sortier- und Recyclingverfahren. Das bekommt auch der Getränkekarton zu spüren, der noch nicht in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gesammelt wird.
Alles, was verwertbar ist, sollte gesammelt werden
Der europäische Verband der Getränkekartonhersteller ACE setzt sich seit Jahren dafür ein, dass getrennt erfasste, recycelbare Verpackungen nicht deponiert werden dürfen. Auch die thermische Verwertung sollte nur zulässig sein, wenn nachgewiesen wird, dass eine stoffliche Verwertung nur durch einen unverhältnismäßig hohen technischen oder finanziellen Aufwand möglich ist oder für die gewonnenen Wertstoffe kein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann.
Beides trifft auf den Getränkekarton nicht zu: Er ist eine eigenständige Fraktion in der europäischen Altpapiersortenliste, Nachfrage ist vorhanden und dort, wo das Sammelaufkommen hoch genug ist, wird in Aufbereitungskapazitäten investiert. Jüngstes Beispiel, die Schweiz: Hier wurde vor vier Jahren auf Initiative der Hersteller mit Pilotversuchen zur Sammlung von Getränkekartons begonnen. Heute gibt es hunderte Sammelstellen, Lebensmitteleinzelhändler sind in die Separatsammlung eingestiegen und in Kürze wird eine Stoffaufbereitung für Getränkekartons in der Schweiz fertiggestellt sein.
Drei Millionen Tonnen seit Start des Dualen Systems
In Deutschland werden bereits seit 1992 gebrauchte Getränkekartons aus den Sammlungen des Dualen Systems verwertet. Bis heute rund 3 Millionen Tonnen! Verantwortlich für die Organisation ist die ReCarton GmbH – eine 100%ige Tochtergesellschaft des Fachverbandes Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel e.V. (FKN). ReCarton schließt Verwertungsverträge mit Papierfabriken, beauftragt Speditionen mit der Abholung des Materials von den Sortieranlagen und führt den sogenannten „Mengenstromnachweis“. Damit wird gegenüber den Landesumweltministerien auf die Tonne genau dokumentiert, wie viele Getränkekartons in welchen Anlagen verwertet wurden.
In den Anfangsjahren bestand die Aufgabe zunächst darin, einen Markt für diese neue Altpapierfraktion zu entwickeln. Dazu waren erhebliche Investitionen notwendig. Bis heute ist die ReCarton kein gewinnorientiertes Unternehmen. Soweit Erlöse aus dem Verkauf der Sekundärrohstoffe anfallen, werden diese an die dualen Systembertreiber ausgeschüttet. Strategisch geht es den Verpackungsherstellern vor allem darum, über die ReCarton das inzwischen erreichte hohe Niveau des Recyclings gebrauchter Getränkekartons qualitativ weiterzuentwickeln und ausreichende Verwertungs-Kapazitäten bereitzustellen.
Verwertung der Folienreste ist anspruchsvoll
Getränkekartons werden mit Standardverfahren aufbereitet, wie man sie in den meisten Papierfabriken findet, die Altpapier als Rohstoff verwenden. In der Regel wird eine rotierende Trommel eingesetzt, die den zuvor geschredderten Karton unter Zugabe von Wasser zerfasert. Der Papieranteil weicht langsam auf und löst sich von den Folien. Chemikalien werden dabei nicht eingesetzt. Durch kleine Löcher in der Trommelwand wird der Faserbrei abgeschwemmt. Anschließend wird er gereinigt, eingedickt und zur Papiermaschine gepumpt. Die zurückgewonnen Fasern sind lang und reißfest und damit für viele Anwendungen geeignet. Derzeit werden daraus überwiegend Wellpappenrohpapiere hergestellt.
Nach Abtrennung der Papierfasern fallen Polyethylen/Aluminium-Folien als Reststoff an. Dieser wird heute noch überwiegend in der Zementindustrie als Brennstoff genutzt. Technisch ausgereifte und wirtschaftlich tragfähige stoffliche Verwertungslösungen zu entwickeln, ist eine Herausforderung, bei der viele Betreiber von Pilot- und Produktionsanlagen Lehrgeld zahlen mussten. Zuletzt eine Anlage in Merseburg, die nach vierjährigem Betrieb die Verarbeitung der Folienreste einstellen musste. Grundsätzlich gilt für jedes Recycling: Hohe Rohstoffpreise fördern Innovationen und Investitionen in Recyclinganlagen – niedrige bewirken das Gegenteil. Die Recyclat-Preise folgen stets dem Trend der Primärware.
Derzeit sind in Europa Pyrolyseanlagen in Betrieb, die den PE-Anteil energetisch nutzen und das Aluminium zurückgewinnen. Darüber hinaus gibt es zwei Unternehmen in China, die mit einem mechanisch/chemischen Prozess PE-Granulate herstellen und das Aluminium an die Baustoffindustrie verkaufen. Ziel ist, innerhalb der nächsten Jahre auch in Deutschland eine stoffliche Verwertungsanlage zu betreiben.
Ambitionierte Recyclingziele treiben Innovationen
Das Verpackungsgesetz sieht erstmals eine gesonderte Quote für Getränkekartons vor. Der FKN hat dies lange gefordert und ist davon überzeugt, dass die Quote von 75% ab 2019 und 80% ab 2022 – ambitioniert aber erreichbar ist. Ambitioniert deshalb, weil bei Papier, Glas, Metallen und auch bei Getränkekartons bereits ein hohes Verwertungsniveau erreicht wurde und 5-10% mehr keineswegs trivial sind. Dabei sollte eines nicht vergessen werden: Hohe Recyclingziele sind nur erreichbar, wenn die Verbraucher mitspielen. Wichtig ist daher, wieder mehr über die Vorteile des Recyclings sowie über neue Sortier- und Verwertungstechnologien zu reden, um die Verbraucher wieder stärker zum Sammeln zu motivieren.