Recyclingquoten müssen anspruchsvoll und erreichbar sein
Das Wertstoffgesetzt bleibt heftig umstritten. Die Reaktionen auf den lange erwarteten Arbeitsentwurf des Bundesumweltministeriums reichen von totaler Ablehnung bis zu vorsichtiger Zustimmung. Der FKN unterstützt anspruchsvolle Quote und lehnt eine Ausweitung der Pfandpflicht ab.
Stellungnahme des Fachverbandes Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel e.V. (FKN) zum Arbeitsentwurf für ein Wertstoffgesetz (WertstoffG) vom 22.10.2015
Vorbemerkung:
Die Ausweitung der Produktverantwortung auf sogenannte „stoffgleiche Nichtverpackungen“ ist eine konsequente Fortsetzung einer Politik, die in den letzten 25 Jahren unbestreitbare Erfolge beim Ressourcenschutz ermöglicht hat. Mit der gemeinsamen Erfassung von Verpackungen und Produkten wird dem Trennverhalten vieler Verbraucher Rechnung getragen, die bereits heute die Wertstoffbehälter des Dualen Systems für die Entsorgung stoffgleicher Waren nutzen, ohne dass die Hersteller dafür einen Finanzierungsbeitrag leisten. Es gibt keinen Grund, Produkte, die beim Endverbraucher als Abfall anfallen, anders zu behandeln als Verpackungen.
Der Entwurf ist nach unserer Auffassung grundsätzlich geeignet, die bestehende haushaltsnahe Erfassung zu einem bürgernahen und fair finanzierten System weiterzuentwickeln, das Missbrauch weitgehend einschränkt und durch anspruchsvolle Recyclingquoten einen hohen Beitrag zur Ressourcenschonung leistet. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Arbeitsentwurf unsere Empfehlung aufgreift, für den Getränkekarton eine eigenständige Recyclingquote vorzusehen. Zu den konkreten Vorgaben des Arbeitsentwurfes nehmen wir wie folgt Stellung:
1. Recyclingquoten müssen anspruchsvoll und erreichbar sein
§ 17 (2) schreibt für Getränkekartonverpackungen eine Verwertungszuführungsquote von 80 Masseprozent (drei Jahre später 85%) der Lizenzmenge vor. Die Hersteller von Getränkekartons haben durch ihr langjähriges Engagement beim Aufbau von Recyclingkapazitäten bewiesen, dass die Branche gemeinsam mit ihren Partnern in der Papierindustrie in der Lage ist, vertraglich abgesicherte Recyclingkapazitäten auch bei steigendem Mengenaufkommen bereitzustellen. Soweit dies möglich und wirtschaftlich vertretbar ist, unterstützen wir das Ziel, die stofflichen Verwertungsquoten beim Getränkekarton über das bereits erreichte hohe Niveau hinaus zu erhöhen.
Die im Entwurf vorgesehenen Recyclingquoten setzen allerdings voraus, dass die Erfassungsmengen bei allen Materialien deutlich gesteigert werden. Dies ist nicht alleine durch gesetzliche Vorgaben erreichbar, sondern setzt die Mitwirkungsbereitschaft der Verbraucher voraus, die auch durch intensive Öffentlichkeits-arbeit nicht beliebig gesteigert werden kann. Insofern können wir nicht beurteilen, ob die in § 15 (2) vorgesehene Verpflichtung der Systeme 25 bzw. 30 Kilogramm pro Einwohner und Jahr zu sammeln, mit vertretbarem Aufwand erreichbar ist und sich im Sammelgemisch ausreichende Mengen an Getränkekartons finden.
Darüber hinaus ist es ohne belastbare Prognosen zur Entwicklung der Lizenzierungsquote nicht möglich zu beurteilen, ob die geforderte 80/85%-Recyclingquote bezogen auf die Lizenzmenge trotz aller Anstrengungen realisierbar ist. Würde sich der Lizenzierungsgrad der 100%-Marke nähern – was beim Getränkekarton aufgrund der überschaubaren Zahl von Marktteilnehmern nicht ausgeschlossen ist – müsste eine Quote von 80% bzw. 85% der Marktmenge als sehr ambitioniert angesehen werden. Insofern empfehlen wir, zumindest die geplante Quotensteigerung nach drei Jahren nicht von vorneherein auf einen statischen Wert von 85% festzulegen. Besser geeignet wären Quoten, die sich analog der Vorschläge des UBA-Forschungsprojektes (FKZ 3711 33 316) selbständig nachregulieren und den real erreichten Erfassungs- und Verwertungserfolg als Mindestvorgaben für die Folgejahre definieren.
2. Keine Ausweitung der Pfandpflicht auf Frucht- und Gemüsenektare
§ 32 (7) i) stellt Frucht- und Gemüsesäfte von Pfand- und Rücknahmepflichten frei. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung in der VerpackV werden Frucht- und Gemüsenektare nicht erwähnt und werden pfandpflichtig, soweit sie in Einwegverpackungen angeboten werden, die nicht unter die Ausnahmetatbestände von § 32 (1)-(6) fallen. Wir empfehlen dringend, es bei der bestehenden Pfand-Regelung der VerpackV zu belassen.
- Aus Sicht des Verbraucherschutzes (Stichwort: „Verbraucherirritation“) besteht grundsätzlich keine Veranlassung, die Pfandpflicht auf weitere Getränkebereiche auszudehnen. Dies gilt insbesondere für Frucht- und Gemüsenektare, die für „lebensmittelrechtsunkundigen“ Verbraucher nicht von Frucht- und Gemüsesäften zu unterscheiden sind. Auch wenn die Ausnahmetatbestände für die Pfandbefreiung einiger Getränkebereiche für den Verbraucher insgesamt schwer nachzuvollziehen sind, war inzwischen ausreichend Zeit, sich daran zu gewöhnen. Obsolet wird dieser Begründungszusammenhang durch die Neuregelung §32 (1), wonach der Pfandbetrag auf der Verpackung deutlich lesbar aufgedruckt werden muss.
- Aus abfallwirtschaftlicher Sicht spielt die Bepfandung von ca. 800 Mio. Liter Frucht- und Gemüsenektaren allenfalls eine marginale Rolle. Zu Recht hatte der Verordnungsgeber seinerzeit „Massengetränke“1) im Fokus. Wer konsistente Regelungen will, müsste konsequenterweise auch alle anderen Getränkebereiche mit vergleichsweise geringer Mengenrelevanz bepfanden. Im Übrigen werden die heute pfandbefreiten Getränkebereiche wie Säfte/Nektare, Milch, Spirituosen etc. im Gegensatz zu den pfandpflichtigen Getränkebereichen (Bier, Mineralwasser, CO2-haltige Erfrischungsgetränke) nur zu einem sehr geringen Anteil außer Haus konsumiert und mit hohen Recyclingquoten haushaltsnah erfasst und verwertet. Insofern spielt auch das Littering nur eine untergeordnete Rolle.
- Aus ökologischer Sicht ist jede Pfandausweitung kontraproduktiv. Davon profitieren ausschließlich Einweg-Kunststoffverpackungen zu Lasten von Mehrweg und ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen2). Es ist davon auszugehen, dass die Pfandsystemkosten (DPG) für Abfüller und Handel für eine PET-Einwegflasche niedriger sind als die Lizenzkosten der dualen Systeme. Eine Ausweitung der Pfandpflicht würde der PET-Flasche weitere Kostenvorteile verschaffen. Auch die bifa-Studie stellt zutreffend fest, dass die Herausnahme weiterer Verpackungen aus der Sammlung der dualen Systeme zu höheren Lizenzentgelten für die im System verbleibenden Packungen führen wird, wohingegen das DPG-System mit „Synergievorteilen“ rechnen könne3).
- Aus Sicht des Wettbewerbs profitieren größere Abfüller. Eine Ausweitung der Pfandpflicht würde die Abfüller treffen, die auf den Getränkekarton und Einweg-Glas setzen. Für viele kleine Abfüller ist PET-Einweg aufgrund der hohen Investitionskosten keine Alternative. Sie werden beim Getränkekarton und Mehrweg bleiben und Marktanteile verlieren2).
Eine Ausweitung der Pfandpflicht auf Nektare würde einen ökologisch nicht zu rechtfertigenden Markteingriff darstellen.
3. Entsendung von Vertretern der Recyclingwirtschaft in den Beirat der Zentralen Stelle
§ 29 (5) sieht keine Vertreter von Verwertungsorganisationen (DAVR, ReCarton u.a.) der in § 17 aufgeführten Materialbereiche vor. In einem „Beirat Erfassung Sortierung und Verwertung“ der den Vorstand in Fragen der Steigerung der Wertstofferfassung, -sortierung und –verwertung sowie bei der Qualitätssicherung beraten soll, könnten Vertreter der materialspezifischen Verwertungsorganisationen sicherlich hilfreiche Unterstützung leisten. Wir sind nicht der Auffassung, dass der zwingend notwendige Praxisbezug alleine durch die Vertreter der Systeme oder der sonstigen Entsendeorganisationen gewährleistet werden kann.
Berlin, den 13.11.2015
1) BT Drs. 15/1179
2) Prognose der Marktentwicklung von Getränkekarton für Fruchtsäfte, -nektare inkl. Gemüsesäfte 2015, im Auftrag des FKN e.V., Mainz, September 2013.
3) Bewertung der Verpackungsverordnung – Evaluierung der Pfandpflicht, bifa Umweltinstitut, UBA-Texte 20/2010, Dessau, April 2000.