„Trotz Pfand sind die Quoten drastisch eingebrochen.“

Es kommt nicht oft vor, dass sich Mehrweg-Lobbyisten und die Grünen mit einzelnen Handelsunternehmen, Getränkeabfüllern und Herstellern von Einweg-Verpackungen einig sind: Alle fänden es gut, wenn das Pfand auf Fruchtsäfte ausgeweitet würde. Jürgen Heinisch, von der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM), erklärt, wer die Gewinner und Verlierer einer solchen Regelung wären.

Jürgen Heinisch (GVM)

Bei Einführung der Pfandpflicht hat die Bundesregierung die Ausnahme von Pfandpflicht bei Fruchtsäften unter anderem damit begründet, dass hier bereits ein hoher Anteil ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen erreicht sei. Wie haben sich die Marktanteile seitdem entwickelt?

Jürgen Heinisch: Der Anteil MövE-Verpackungen (Mehrweg und ökologisch vorteilhafte Einweg-Getränkeverpackungen, Anm. d. Red.) ist bei Fruchtsäften und Nektaren von 88 Prozent im Jahr 2003 auf weniger als 50 Prozent in 2013 zurückgegangen. In Getränkekartons wurden 52 Prozent weniger Säfte abgefüllt, in Mehrweg sogar 75 Prozent weniger. Das Getränkevolumen in PET-Einwegflaschen ist dagegen um das 46fache gewachsen.

Also wäre es doch besser gewesen, Saft-Einwegflaschen aus Kunststoff und Glas schon damals zu bepfanden?

Heinisch: Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätten wir dann einen noch schnelleren Rückgang zu verzeichnen gehabt. Das Pfand hat nur bei Bier zur Stabilisierung der Marktanteile von MövE-Verpackungen beigetragen. Das zeigt die Entwicklung der Mehrwegquoten bei Mineralwasser und kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken. Trotz Pfand sind die Quoten drastisch eingebrochen. Von der 80-Prozent-Zielvorgabe der Verpackungsverordnung sind wir deutlich entfernt. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass dies ausgerechnet bei Saft anders verlaufen wäre.

Sie gehen also davon aus, dass ein Pfand auf Säfte den Trend zu Plastikflaschen noch verstärken würde?

Heinisch: Ja, der Getränkekarton wird weiter Marktanteile verlieren und Einweg-Glasflaschen werden fast vollständig verschwinden. Glas passt nicht in die Rücknahmelogistik der DPG-Sammlung. Das Pfand ist natürlich nicht der einzige Treiber für die Substitutionsprozesse, die wir in den vergangenen Jahren beobachten konnten. Da spielen unter anderem die Marktstrukturen, Preisgestaltung und –segmentierung bei den Säften, der Konzentrationsgrad in der abfüllenden Industrie, Markenstrategien und Verbrauchergewohnheiten eine wichtige Rolle.

Was spricht aus Sicht des Handels für die PET-Flasche?

Heinisch: PET-Einwegflaschen lassen sich mühelos in das DPG-Pfand-System integrieren. Eine Anpassung der Rücknahmeautomaten ist nicht notwendig. Jede zusätzliche Verpackung im System führt zu niedrigeren Kosten pro Verpackungseinheit. Somit verstärkt sich der Trend zur Vereinheitlichung der Packmittelsysteme bei den Eigenmarken des Handels. Wenn also PET-Flaschen erstmals bepfandet werden, wird man eher auf den Karton verzichten.

Wie wird der Verbraucher reagieren, wenn das Pfand auf Saftflaschen ausgedehnt würde?

Heinisch: Bei Fruchtsäften decken acht Unternehmen mit einem Umsatz von jeweils über 100 Mio. Euro dreiviertel des Marktes ab. Dort dominiert PET-Einweg. In den mittelgroßen Unternehmen spielt der Getränkekarton eine hervorgehobene Rolle während Kleinabfüller bis 10 Mio. Jahresumsatz fast ausschließlich in Glas und hier vor allem in Mehrweg abfüllen. Die Ausweitung der Pfandpflicht auf Saft und Nektar würde die Abfüller treffen, die auf den Getränkekarton und Einweg-Glas setzen.

Für viele kleine Abfüller ist PET-Einweg aufgrund der hohen Investitionskosten keine Alternative. Sie werden beim Getränkekarton und Mehrweg bleiben und Marktanteile verlieren. Nach unserer Prognose wird Mehrweg anfangs seinen Marktanteil halten können. Aber auf Dauer wird auch Mehrweg weiterhin unter Druck stehen.

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